Samstag, 6. Dezember 2008
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„Ich behaupte, dass wir im Westen gegenwärtig in der besten sozialen Welt leben, die es je gegeben hat - und zwar trotz des Hochverrates der Intellektuellen, die eine neue Religion verkünden, eine pessimistische Religion, der gemäß wir in einer moralischen Hölle leben und an physischer und moralischer Verschmutzung zugrunde gehen".(Karl R. Popper: Gegen den Zynismus in der Interpretation der Geschichte. Rede anlässlich der Verleihung des Ehrendoktors an der Katholischen Universität Eichstätt 1991; veröff. Regensburg 1992)
In dem Text nimmt Karl R. Popper die Position ein, dass die westliche Bevölkerung in der besten sozialen Welt lebt, die es je gab. Im Widerspruch beklagt er eine Gruppe, die das Gegenteil behauptet. Gemäß seiner Aussage ist der Pessimismus dieser Gruppe einer Religion gleich. Ist nun die Aussage Poppers eine Glaubensfrage und die Pessimisten sind die "andere" Religion, oder hat Popper mit seiner Behauptung Recht, so dass die Pessimisten letztlich Querulanten sind, die seine These bestätigen?
Auf der einen Seite sagt Popper , der Westen sei all das, was es vorher nicht gab. Geht man davon aus, dass er damit technischen Fortschritt, als auch kulturelle Entwicklung oder politische Verhältnisse meinen könnte, möchte ich besonders auf einen Aspekt eingehen, der die westliche Zivilisation unter den anderen Bevölkerungen auszeichnet: Die vorherrschende Freiheit, wofür insbesondere die Vereinigten Staaten bekannt sind. Ich möchte diesen Punkt besonders hervorheben, da er die Grundlage für ein philosophisches Paradoxon darstellt, dass ich im Laufe des Essays erläutern werde.
Beziehen wir uns auf die politischen Verhältnisse von Amerika, hat Popper womöglich Recht: Rein gesetzlich ist der amerikanische Staatsbürger zum Beispiel nicht dazu verpflichtet, krankenversichert zu sein, er allein ist verantwortlich für seinen beruflichen und sozialen Status. Diese Eigenverantwortlichkeit bringt aber bei näherer Betrachtung mehr Unfreiheiten als Freiheiten ein. Die große wirtschaftliche und soziale Freiheit kann in Zeiten von wirtschaftlichem Abschwung und Krisen zu großem sozialen Verfall in allen Berufsschichten und dadurch auch zu großen sozialen Spannungen führen und diese Spannungen führen unweigerlich zu Kriminalität.
Ein Beispiel ist die wirtschaftliche Rezession in den Vereinigten Staaten. Die Aktien sind im Keller, die Prognosen für den Verlust von Arbeitsplätzen sind erschreckend hoch. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass durch die nun immer weiter sinkenden Aktien die Absicherungen im Rentenalter für die Angestellten wegfallen, sie müssen auf den minimalen Pflichtschutz ausweichen, der für die meisten Arbeitnehmer einen sozialen Abstieg bedeutet. Und ein sozialer Abstieg in Amerika bedeutet, dass die Kosten für die Krankenversicherung nicht mehr tragbar sind, die, anders als in Deutschland, nicht vom Arbeitsamt übernommen werden, man ist nicht mehr versichert.
Da sieht man die Diskrepanz, die die amerikanische Politik der Freiheit und Grenzenlosigkeit gleichzeitig beinhaltet: Die Amerikaner haben vermeintlich die Wahl, sie allein bestimmen ihre komplette Existenz, die Komponente der Freiheit. Gleichzeitig gibt es keine Absicherungspunkte, die Amerikaner stürzen sich bei Krisen oder Rezessionen in eine persönliche Unfreiheit, weil sie in Kauf nehmen müssen, ihre materielle und soziale Freiheit von einem Augenblick auf den anderen zu verlieren. Eine wachsende materielle Freiheit impliziert also gleichzeitig den Verlust dieser Freiheiten durch wirtschaftliche Rezessionen, die Unfreiheit.
Dass das zu sozialen Spannungen führen kann, dürfte jedem bewusst sein. Wer lebt schon gerne in einer 1-Zimmer-Wohnung, wenn er vorher in einem Appartement in Manhatten gelebt hat? Wer geht die Treppe in den Keller des sozialen Abstiegs schon gerne freiwillig? Und dabei wurde der totale soziale Abstieg noch gar nicht thematisiert: Was passiert mit Leuten, die plötzlich von arm zu ganz und gar mittellos mutieren? Die durch den Mangel jeglicher sozialer Absicherungen plötzlich auf der Straße schlafen müssen? Führt man diesen Gedanken fort, kommt man zu einem politischen Thema, dass mit absoluter politischer Freiheit unbedingt thematisiert werden muss: Kriminalität und, als absolute Steigerung, Anarchie. Erinnern Sie sich an New Orleans, nach dem Hurrican Kathrina über die Stadt hinweggefegt ist und alles in Schutt und Asche zurückgelassen hat? Ein Zustand, in dem selbst die staatliche Exekutive zeitweise keine Macht mehr ausüben konnte? Wenn alle Menschen mit Schusswaffen umher laufen und man am liebsten mit schusssicherer Weste zum Supermarkt gehen würde, weil an jeder Straßenecke ein armer und sozial minder bemittelter Mensch auflauern und einen erschießen könnte, ist das Freiheit? Ist es Freiheit, wenn man sich ähnlich einer Aservatenkammer sein Vermögen in Waffen umtauscht um sich damit ein Inventar an Schusswaffen zuzulegen und drei Meter hohe Mauern errichten muss, um ein Gefühl von Sicherheit zu bekommen?
Wo fängt Freiheit an und wo endet sie? Kann man da überhaupt eine Grenze ziehen? Ist man frei, weil man durch technische Mittel in kürzester Zeit an weit entlegene Orte reisen kann, oder ist man dadurch einer noch größeren Unfreiheit ausgesetzt, weil Terrorismus einen dazu zwingt, mit Argwohn in ein Flugzeug zu steigen? Es sogar soweit kommt, dass man mittlerweile nicht einmal mehr Getränke mit ins Flugzeug nehmen darf, weil jeder ein potentieller Flugzeugentführer und Selbstmordattentäter sein könnte? Könnte das die gemeinte „moralische Verschmutzung“ sein?
Popper nimmt sich die Freiheit, zu sagen, dass die westliche Welt die Beste ist, die es je gab, gleichzeitig beraubt er sich dieser Freiheit, in dem er die Querulanten seiner Theorie kritisiert und dadurch selbst zu einem wird. Dieses Paradoxon seiner Aussage, die er durch einen Gedankenstrich untrennbar verbindet, spiegelt sich gleichsam in der zivilisierten Gesellschaft wider. Ungeachtet des moralischen Zerfalls, welcher von den so genannten Intellektuellen kritisiert wird, erlebt man eine Gesellschaft, die sich durch wachsenden Freiheitsdrang in eine Spirale der Entmündigung und persönlichen Unfreiheit manövriert. Diese Spirale verdankt man in erster Linie auch dem großem technischen Fortschritt. Dadurch, dass allen Menschen ermöglicht wird, das zu tun was sie wollen und die Technik die Grundlagen der wachsenden Möglichkeiten darstellt, das zu tun, was man möchte, wird die gesamte Menschheit gegenseitig in ihrer Freiheit beeinträchtigt.
Man nehme beispielsweise das Waffengesetz in den USA: Fest verankert in der amerikanischen Gesellschaft und trotz zahlreichen Eskalationen immer wieder vehement verteidigt, zeigt es, wie Freiheit unweigerlich zu Unfreiheit führen kann. Die amerikanischen Schulen werden mehr und mehr zum Ziel von Amokläufen von Tätern, die die Freiheit besitzen, eine Waffe mit sich zu führen. Es ist eine Selbstverständlichkeit für den amerikanischen Haushalt, Schusswaffen zu besitzen, folglich steigt die Anzahl der potentiellen Amokläufer natürlich. Wie soll solch einer Gefahr nun die Stirn geboten werden? Natürlich nur, in dem man den Bürgern für deren Freiheit wieder Freiheit entzieht: Immer häufiger werden in amerikanischen Highschools Metalldetektoren und Kameras installiert, Schüler werden auf Schusswaffen durchsucht, die staatliche Exekutive setzt alles daran, die Gefahr durch den Entzug persönlicher Freiheiten einzudämmen, Überwachung spielt da eine große Rolle.
Viele Deutsche sind stolz auf das fehlende Tempolimit auf deutschen Autobahnen, natürlich, es stellt einen großen freiheitlichen Aspekt dar, nicht zuletzt deshalb, weil man gerne einmal auf das Gaspedal tritt. Gleichzeitig sieht man sich durch so titulierte „Autobahnraser“ in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt, da durch hohe Geschwindigkeiten, verbunden mit noch unerfahrenen Fahrern, das Risiko für einen Autounfall rapide ansteigt. Wo also soll man seine Freiheit nun einschränken? Soll man ein Tempolimit einführen, um durch die staatliche Exekutive eine Sanktion von Geschwindigkeitsüberschreitungen zu erreichen? Oder büßt man doch lieber Freiheiten auf der Autobahn ein, weil man in ständiger Ungewissheit lebt, das man in einen Autounfall verwickelt und schwer verletzt bzw. sogar getötet wird?
Soll man sich also vom Staat Werte vorschreiben lassen und somit das Recht auf Individualität und seine vielfältigen Möglichkeiten verlieren, oder soll der Staat einem alle Möglichkeiten gewähren und man verliert seine Freiheit, weil der moralische Verfall einen dazu zwingt? Ist die Freiheit überhaupt noch das höchste Gut der heutigen zivilisierten Welt? Oder noch drastischer formuliert: Kann Freiheit in Zeiten des Liberalismus noch existieren?
Jedem Einzelnen bleibt es überlassen, die Freiheiten seines Nächsten einzuschränken oder offen zu lassen. Letzten Endes muss ein Kompromiss gefunden werden zwischen der persönlichen Freiheit und der Freiheit des Mitmenschen: Ist man bestrebt, einen Kompromiss zu finden, besitzt man ein moralisches Gewissen. Es ist also essentiell für jeden einzelnen so zu handeln, dass er zufrieden mit seiner persönlichen Freiheit ist, und gleichzeitig die Freiheiten der anderen so wenig wie möglich einschränkt, vor allem so wenig wie möglich einschränken will.
"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer
Allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
Dies ist eine Form des kategorischen Imperativs aus dem 1. Buch der Vernunft von
Immanuel Kant und beschreibt prägnant die oben angestellten Überlegungen. Dabei ist
die „Maxime deines Willens“ die persönliche Freiheit des Individuums und die
„allgemeine Gesetzgebung“ die allgemeine Freiheit der Mitmenschen. Die Lösung ist
demnach also
folgende Implikation:
„moralischer Zerfall“ und Freiheit ----> Unfreiheit
Ein wichtiger Hauptfaktor eines Post-Demokratischen Szenarios, der für das Scheitern einer Demokratie verantwortlich wäre, ist der Tatbestand einer autonomen Masse, die kein „moralisches Gewissen“ besitzt. Daher gilt immer folgende Maxime, wenn beide Faktoren zutreffen.
FREIHEIT IMPLIZIERT UNFREIHEIT!
Unfreiheit und „moralischer Zerfall“ -----> (relative) Freiheit
Das Umstellen dieser Implikation ist demnach eine logische Konsequenz: Wenn dem
Bürger eine geringere Möglichkeit der Ausübung seiner Freiheiten gewährt wird, hat
dieser weniger Möglichkeiten, seine Mitmenschen in ihrer persönlichen Freiheit zu
behindern. Die Lösung ist eine relative Freiheit der autonomen Masse.
„moralisches Gewissen“ und Freiheit -----> Liberalismus
Nur unter der Bedingung, dass die breite Masse ein „moralisches Gewissen“ besitzt,
führt der Einfluss der vom Staat gegebenen Freiheit zu einem funktionierenden
Liberalismus.
„moralisches Gewissen“ und Liberalismus ------> Freiheit
Also lautet die Lösung des Problems: Die Freiheit jedes einzelnen ist nur dann
gewährleistet, wenn jeder Mensch, der einer liberalen Politik folgt, anstrebt, durch
moralisches Handeln den Mitmenschen nicht in seiner persönlichen Freiheit
einzuschränken.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das Zitat von Karl R. Popper zurückkommen.
Die von ihm erwähnten Intellektuellen haben in der von ihm beschriebenen
„pessimistischen Religion“ in Wahrheit nur auf die Gefahr hingedeutet, die dem
Liberalismus droht, wenn die Mehrheit nicht im Stande ist, sich so zu verhalten, dass sie
sich in ihren persönlichen Freiheiten nicht gegenseitig beeinträchtigt. Somit handelt es
sich nicht direkt um Querulanten, sondern vielmehr um Personen, die erkannt haben,
was der wahrlich „besten sozialen Welt“ droht,wenn die Menschheit nicht bestrebt ist,
jedem seine persönlichen Freiheiten sichern zu wollen. Dann nämlich hat der
Liberalismus als „beste soziale Welt“ keine existentielle Basis mehr. Was dann folgt,
erlebte die Generation vor ca. 75 Jahren: Diktatur und Überwachungsstaat! Mit meinem
Essay möchte ich Sie bitten, ihren Verstand zu schärfen für den Begriff „Freiheit“ und
die Bedingungen, die uns als Freiheit vorgestellt werden.
In dem Text nimmt Karl R. Popper die Position ein, dass die westliche Bevölkerung in der besten sozialen Welt lebt, die es je gab. Im Widerspruch beklagt er eine Gruppe, die das Gegenteil behauptet. Gemäß seiner Aussage ist der Pessimismus dieser Gruppe einer Religion gleich. Ist nun die Aussage Poppers eine Glaubensfrage und die Pessimisten sind die "andere" Religion, oder hat Popper mit seiner Behauptung Recht, so dass die Pessimisten letztlich Querulanten sind, die seine These bestätigen?
Auf der einen Seite sagt Popper , der Westen sei all das, was es vorher nicht gab. Geht man davon aus, dass er damit technischen Fortschritt, als auch kulturelle Entwicklung oder politische Verhältnisse meinen könnte, möchte ich besonders auf einen Aspekt eingehen, der die westliche Zivilisation unter den anderen Bevölkerungen auszeichnet: Die vorherrschende Freiheit, wofür insbesondere die Vereinigten Staaten bekannt sind. Ich möchte diesen Punkt besonders hervorheben, da er die Grundlage für ein philosophisches Paradoxon darstellt, dass ich im Laufe des Essays erläutern werde.
Beziehen wir uns auf die politischen Verhältnisse von Amerika, hat Popper womöglich Recht: Rein gesetzlich ist der amerikanische Staatsbürger zum Beispiel nicht dazu verpflichtet, krankenversichert zu sein, er allein ist verantwortlich für seinen beruflichen und sozialen Status. Diese Eigenverantwortlichkeit bringt aber bei näherer Betrachtung mehr Unfreiheiten als Freiheiten ein. Die große wirtschaftliche und soziale Freiheit kann in Zeiten von wirtschaftlichem Abschwung und Krisen zu großem sozialen Verfall in allen Berufsschichten und dadurch auch zu großen sozialen Spannungen führen und diese Spannungen führen unweigerlich zu Kriminalität.
Ein Beispiel ist die wirtschaftliche Rezession in den Vereinigten Staaten. Die Aktien sind im Keller, die Prognosen für den Verlust von Arbeitsplätzen sind erschreckend hoch. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass durch die nun immer weiter sinkenden Aktien die Absicherungen im Rentenalter für die Angestellten wegfallen, sie müssen auf den minimalen Pflichtschutz ausweichen, der für die meisten Arbeitnehmer einen sozialen Abstieg bedeutet. Und ein sozialer Abstieg in Amerika bedeutet, dass die Kosten für die Krankenversicherung nicht mehr tragbar sind, die, anders als in Deutschland, nicht vom Arbeitsamt übernommen werden, man ist nicht mehr versichert.
Da sieht man die Diskrepanz, die die amerikanische Politik der Freiheit und Grenzenlosigkeit gleichzeitig beinhaltet: Die Amerikaner haben vermeintlich die Wahl, sie allein bestimmen ihre komplette Existenz, die Komponente der Freiheit. Gleichzeitig gibt es keine Absicherungspunkte, die Amerikaner stürzen sich bei Krisen oder Rezessionen in eine persönliche Unfreiheit, weil sie in Kauf nehmen müssen, ihre materielle und soziale Freiheit von einem Augenblick auf den anderen zu verlieren. Eine wachsende materielle Freiheit impliziert also gleichzeitig den Verlust dieser Freiheiten durch wirtschaftliche Rezessionen, die Unfreiheit.
Dass das zu sozialen Spannungen führen kann, dürfte jedem bewusst sein. Wer lebt schon gerne in einer 1-Zimmer-Wohnung, wenn er vorher in einem Appartement in Manhatten gelebt hat? Wer geht die Treppe in den Keller des sozialen Abstiegs schon gerne freiwillig? Und dabei wurde der totale soziale Abstieg noch gar nicht thematisiert: Was passiert mit Leuten, die plötzlich von arm zu ganz und gar mittellos mutieren? Die durch den Mangel jeglicher sozialer Absicherungen plötzlich auf der Straße schlafen müssen? Führt man diesen Gedanken fort, kommt man zu einem politischen Thema, dass mit absoluter politischer Freiheit unbedingt thematisiert werden muss: Kriminalität und, als absolute Steigerung, Anarchie. Erinnern Sie sich an New Orleans, nach dem Hurrican Kathrina über die Stadt hinweggefegt ist und alles in Schutt und Asche zurückgelassen hat? Ein Zustand, in dem selbst die staatliche Exekutive zeitweise keine Macht mehr ausüben konnte? Wenn alle Menschen mit Schusswaffen umher laufen und man am liebsten mit schusssicherer Weste zum Supermarkt gehen würde, weil an jeder Straßenecke ein armer und sozial minder bemittelter Mensch auflauern und einen erschießen könnte, ist das Freiheit? Ist es Freiheit, wenn man sich ähnlich einer Aservatenkammer sein Vermögen in Waffen umtauscht um sich damit ein Inventar an Schusswaffen zuzulegen und drei Meter hohe Mauern errichten muss, um ein Gefühl von Sicherheit zu bekommen?
Wo fängt Freiheit an und wo endet sie? Kann man da überhaupt eine Grenze ziehen? Ist man frei, weil man durch technische Mittel in kürzester Zeit an weit entlegene Orte reisen kann, oder ist man dadurch einer noch größeren Unfreiheit ausgesetzt, weil Terrorismus einen dazu zwingt, mit Argwohn in ein Flugzeug zu steigen? Es sogar soweit kommt, dass man mittlerweile nicht einmal mehr Getränke mit ins Flugzeug nehmen darf, weil jeder ein potentieller Flugzeugentführer und Selbstmordattentäter sein könnte? Könnte das die gemeinte „moralische Verschmutzung“ sein?
Popper nimmt sich die Freiheit, zu sagen, dass die westliche Welt die Beste ist, die es je gab, gleichzeitig beraubt er sich dieser Freiheit, in dem er die Querulanten seiner Theorie kritisiert und dadurch selbst zu einem wird. Dieses Paradoxon seiner Aussage, die er durch einen Gedankenstrich untrennbar verbindet, spiegelt sich gleichsam in der zivilisierten Gesellschaft wider. Ungeachtet des moralischen Zerfalls, welcher von den so genannten Intellektuellen kritisiert wird, erlebt man eine Gesellschaft, die sich durch wachsenden Freiheitsdrang in eine Spirale der Entmündigung und persönlichen Unfreiheit manövriert. Diese Spirale verdankt man in erster Linie auch dem großem technischen Fortschritt. Dadurch, dass allen Menschen ermöglicht wird, das zu tun was sie wollen und die Technik die Grundlagen der wachsenden Möglichkeiten darstellt, das zu tun, was man möchte, wird die gesamte Menschheit gegenseitig in ihrer Freiheit beeinträchtigt.
Man nehme beispielsweise das Waffengesetz in den USA: Fest verankert in der amerikanischen Gesellschaft und trotz zahlreichen Eskalationen immer wieder vehement verteidigt, zeigt es, wie Freiheit unweigerlich zu Unfreiheit führen kann. Die amerikanischen Schulen werden mehr und mehr zum Ziel von Amokläufen von Tätern, die die Freiheit besitzen, eine Waffe mit sich zu führen. Es ist eine Selbstverständlichkeit für den amerikanischen Haushalt, Schusswaffen zu besitzen, folglich steigt die Anzahl der potentiellen Amokläufer natürlich. Wie soll solch einer Gefahr nun die Stirn geboten werden? Natürlich nur, in dem man den Bürgern für deren Freiheit wieder Freiheit entzieht: Immer häufiger werden in amerikanischen Highschools Metalldetektoren und Kameras installiert, Schüler werden auf Schusswaffen durchsucht, die staatliche Exekutive setzt alles daran, die Gefahr durch den Entzug persönlicher Freiheiten einzudämmen, Überwachung spielt da eine große Rolle.
Viele Deutsche sind stolz auf das fehlende Tempolimit auf deutschen Autobahnen, natürlich, es stellt einen großen freiheitlichen Aspekt dar, nicht zuletzt deshalb, weil man gerne einmal auf das Gaspedal tritt. Gleichzeitig sieht man sich durch so titulierte „Autobahnraser“ in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt, da durch hohe Geschwindigkeiten, verbunden mit noch unerfahrenen Fahrern, das Risiko für einen Autounfall rapide ansteigt. Wo also soll man seine Freiheit nun einschränken? Soll man ein Tempolimit einführen, um durch die staatliche Exekutive eine Sanktion von Geschwindigkeitsüberschreitungen zu erreichen? Oder büßt man doch lieber Freiheiten auf der Autobahn ein, weil man in ständiger Ungewissheit lebt, das man in einen Autounfall verwickelt und schwer verletzt bzw. sogar getötet wird?
Soll man sich also vom Staat Werte vorschreiben lassen und somit das Recht auf Individualität und seine vielfältigen Möglichkeiten verlieren, oder soll der Staat einem alle Möglichkeiten gewähren und man verliert seine Freiheit, weil der moralische Verfall einen dazu zwingt? Ist die Freiheit überhaupt noch das höchste Gut der heutigen zivilisierten Welt? Oder noch drastischer formuliert: Kann Freiheit in Zeiten des Liberalismus noch existieren?
Jedem Einzelnen bleibt es überlassen, die Freiheiten seines Nächsten einzuschränken oder offen zu lassen. Letzten Endes muss ein Kompromiss gefunden werden zwischen der persönlichen Freiheit und der Freiheit des Mitmenschen: Ist man bestrebt, einen Kompromiss zu finden, besitzt man ein moralisches Gewissen. Es ist also essentiell für jeden einzelnen so zu handeln, dass er zufrieden mit seiner persönlichen Freiheit ist, und gleichzeitig die Freiheiten der anderen so wenig wie möglich einschränkt, vor allem so wenig wie möglich einschränken will.
"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer
Allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
Dies ist eine Form des kategorischen Imperativs aus dem 1. Buch der Vernunft von
Immanuel Kant und beschreibt prägnant die oben angestellten Überlegungen. Dabei ist
die „Maxime deines Willens“ die persönliche Freiheit des Individuums und die
„allgemeine Gesetzgebung“ die allgemeine Freiheit der Mitmenschen. Die Lösung ist
demnach also
folgende Implikation:
„moralischer Zerfall“ und Freiheit ----> Unfreiheit
Ein wichtiger Hauptfaktor eines Post-Demokratischen Szenarios, der für das Scheitern einer Demokratie verantwortlich wäre, ist der Tatbestand einer autonomen Masse, die kein „moralisches Gewissen“ besitzt. Daher gilt immer folgende Maxime, wenn beide Faktoren zutreffen.
FREIHEIT IMPLIZIERT UNFREIHEIT!
Unfreiheit und „moralischer Zerfall“ -----> (relative) Freiheit
Das Umstellen dieser Implikation ist demnach eine logische Konsequenz: Wenn dem
Bürger eine geringere Möglichkeit der Ausübung seiner Freiheiten gewährt wird, hat
dieser weniger Möglichkeiten, seine Mitmenschen in ihrer persönlichen Freiheit zu
behindern. Die Lösung ist eine relative Freiheit der autonomen Masse.
„moralisches Gewissen“ und Freiheit -----> Liberalismus
Nur unter der Bedingung, dass die breite Masse ein „moralisches Gewissen“ besitzt,
führt der Einfluss der vom Staat gegebenen Freiheit zu einem funktionierenden
Liberalismus.
„moralisches Gewissen“ und Liberalismus ------> Freiheit
Also lautet die Lösung des Problems: Die Freiheit jedes einzelnen ist nur dann
gewährleistet, wenn jeder Mensch, der einer liberalen Politik folgt, anstrebt, durch
moralisches Handeln den Mitmenschen nicht in seiner persönlichen Freiheit
einzuschränken.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das Zitat von Karl R. Popper zurückkommen.
Die von ihm erwähnten Intellektuellen haben in der von ihm beschriebenen
„pessimistischen Religion“ in Wahrheit nur auf die Gefahr hingedeutet, die dem
Liberalismus droht, wenn die Mehrheit nicht im Stande ist, sich so zu verhalten, dass sie
sich in ihren persönlichen Freiheiten nicht gegenseitig beeinträchtigt. Somit handelt es
sich nicht direkt um Querulanten, sondern vielmehr um Personen, die erkannt haben,
was der wahrlich „besten sozialen Welt“ droht,wenn die Menschheit nicht bestrebt ist,
jedem seine persönlichen Freiheiten sichern zu wollen. Dann nämlich hat der
Liberalismus als „beste soziale Welt“ keine existentielle Basis mehr. Was dann folgt,
erlebte die Generation vor ca. 75 Jahren: Diktatur und Überwachungsstaat! Mit meinem
Essay möchte ich Sie bitten, ihren Verstand zu schärfen für den Begriff „Freiheit“ und
die Bedingungen, die uns als Freiheit vorgestellt werden.
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